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20.03.2018

Farbspiel in 5000 Nuancen – Besuch bei dem Weltmarktführer Glashütte Lamberts


Nach sechsstündiger Fahrt im Winterchaos, mit mehreren Zügen und dem letzten Stück im Auto sind wir angekommen. Waldsassen ist keine Weltstadt. Es ist ein hübscher Ort in der Oberpfalz, ein Kloster gibt es hier, schöne Gasthöfe und viel Natur in der Umgebung. Ein verschlafenes Dorf, könnte man denken. Gäbe es hier nicht ein Unternehmen, bei dem große internationale Künstler und Architekten ein- und ausgehen – die Glashütte Lamberts.

Beim Betreten der Glashütte wird es warm. Warm aufgrund der Temperatur und warm auch, weil der Ort und das Handwerk den Besucher sofort in ihren Bann ziehen. Was man hier zu sehen bekommt, ist einzigartig. Die Glashütte Lamberts in Waldsassen produziert seit 112 Jahren mundgeblasenes Flachglas, zu dem es weltweit kein Pendant gibt. Zwei weitere Glashütten, die noch ähnlich produzieren, gibt es in Frankreich und Polen. Lamberts ist jedoch Weltmarktführer, niemand beschäftigt so viele Mitarbeiter und kann so viele Farben produzieren wie die Oberpfälzer.

Mit speziell gefärbten Schutzbrillen schauen wir in die Glut. Ein so genannter „Anfänger“, der nicht aufgrund seiner Berufsreife so heißt, sondern weil er den Prozess des Glasblasens beginnt, nimmt mit einer Glasmacherpfeife das flüssige Glas aus dem Ofen. Es wird von ihm zu einem kleineren Glasballon geblasen, der dann vom Glasmachermeister weiterbearbeitet wird. So entsteht in vielen Arbeitsschritten aus einem Ballon ein 1 Meter großer Zylinder, welcher dann zu Flachglas „glattgebügelt“ wird. Dieser Prozess ist so faszinierend anzuschauen, dass man mit offenem Mund davor steht.

Es erschließt sich binnen kürzester Zeit, warum Künstler wie Olafur Eliasson und Gerhard Richter hier das Glas für ihre Kunstwerke beziehen. Unter großer Kraftanstrengung und mit enormer handwerklicher Fähigkeit wird hier von 70 Mitarbeitern Glas produziert. Die großen Künstler schätzen das Material der bayerischen Glashütte, weil es qualitativ kompromisslos ist. „Die Effekte, die Sie mit Licht und mundgeblasenem Glas erhalten, können Sie mit industriell gefertigtem Glas nicht erzielen“, erklärt uns Robert Christ, Prokurist des Unternehmens. „Van Gogh hat schließlich auch nicht auf Backpapier, sondern auf Leinwand gemalt.“ Wer einmal vor dem Gerhard Richter Fenster im Kölner Dom gesessen hat, der kann das bestätigen.

Neben dem Kölner Dom sind  beispielsweise Westminster Abbey und zahlreiche weitere Kathedralen, Museen, Flughäfen und andere öffentliche Gebäude von New York bis Taiwan mit dem bayerischen Glas ausgestattet. Etwa 80% der Produktion werden ins Ausland verkauft.

Aufgrund der Rarität des Handwerks gibt es keinen Ausbildungsberuf für die Glasmeister, alle Mitarbeiter werden hier angelernt. Zu dem Fähigkeitsprofil gehört nicht zu handwerkliches Geschick, sondern vor allem hohe „Hitzebeständigkeit“. Wenn man sich länger als zwei Minuten vor einem der Öfen aufhält, versteht man das. Morgens um vier Uhr beginnt hier die Schicht, vor allem wegen der Hitzeentwicklung im Sommer.

Optisch hat sich in der historischen Ofenhalle seit Gründung der Glashütte vor 112 Jahren nicht viel verändert, und doch entstehen hier ständig neue Innovationen. So kann das Flachglas beispielsweise mit einer speziellen Technik auf Sicherheitsglas auflaminiert und so auch im Außenbereich verwendet werden. „In Florida können wir so Glasfassaden anbieten, die sogar Hurricanes standhalten“, erklärt Robert Christ.

Das Lager der Glashütte Lamberts mutet an wie ein „Bonbongeschäft für Künstler“, wie es ein Kunde selbst einmal beschrieb. Hier steht Glas in 5000 unterschiedlichen Farben, von denen einige geplant und andere im Prozess entstanden sind. „Beim  mundgeblasenen Glas kann es passieren, dass Schattierungen unterschiedlich ausfallen, auch dadurch hat sich das breite Farbspektrum ergeben“, erklärt Rainer Meindl, geschäftsführender Gesellschafter der Glashütte Lamberts. Vor neun Jahren kaufte er die Glashütte und hat es seitdem keinen Tag bereut. An wenigen Orten findet man eine so beeindruckende Symbiose aus Tradition und Innovation wie hier. Die Kunst des Glasmachens, wie sie hier verstanden wird, sucht ihresgleichen.

Kopf und Herz voller wunderbarer Eindrücke treten wir den Weg Richtung Berlin an. Und sechs Stunden vergehen wie im Flug.


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