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14.11.2018

Gerahmte Leidenschaft


Ertingen-Erisdorf, das kleine Dorf in Baden-Württemberg mit rund 450 Einwohnern ist nur über Landstraßen zu erreichen, die nächste Autobahnauffahrt etwa 1 Stunde entfernt. Die aufwändige Anfahrt lohnt sich jedoch allemal, denn die ländliche Idylle birgt einen traditionsreichen Schatz, der einen Besuch wert ist.

Bereits eine 120-jährige Geschichte kann die in fünfter Generation geführte Riempp Rahmenmanufaktur erzählen. Sie gehört inzwischen zu einer der ältesten Manufakturen weltweit, die Bilderrahmen noch vom rohen Holz bis zum fertigen Rahmen selbst und in traditioneller Handarbeit herstellen.

Kunden können ihre Lieblingsbilder, Erbstücke oder Kunstwerke hier in den perfekten Rahmen bringen, denn in der Schreiner- und Vergolderwerkstatt werden in jedem einzelnen Arbeitsschritt Rahmenform, -farbe und -oberfläche individuell auf das jeweilige Bild abgestimmt. Mit wie viel Leidenschaft die Rahmendesignerin
 Sylvia Reh, ihre Arbeit macht erkennt man sofort, wenn sie Kunden und Besucher durch die gemütlichen Räumlichkeiten der Manufaktur führt. „Hinter jedem Bild, welches eingerahmt werden soll, steckt eine bestimmte Geschichte, ein besonderes Foto, ein geerbtes Bild oder ein wertvolles Kunstwerk. Ich besuche die Kunden meist zu Hause, spreche mit ihnen über Ideen und Wünsche und betrachte auch den Raum, in dem das Bild aufgehängt werden soll. Ich muss den Kunden im Voraus persönlich kennenlernen, um genau zu verstehen, welche Art von Rahmen sich der Kunde für sein Herzensstück wünscht“. Dabei hatte sich die Karriere der quirligen Geschäftsfrau zuerst in eine ganz andere Richtung hin entwickelt. Ein Stipendium in New York ließ die gelernte Einrahmerin in die Welt der Bohème eintauchen – eine andere, bunte und aufregende Welt, voller neuer Eindrücke. Wie so oft, war es dann die Liebe, die sie dann wieder zurück nach Deutschland und in die Riempp Rahmenmanufaktur gezogen hat. Und sofort ist klar: Diese Entscheidung war die Richtige, denn hier kann sie ihrer Passion nachgehen. „Ich selbst stehe auch immer mal wieder in der Produktion und probiere neue Dinge aus. Ich schaue, was alles möglich ist, was gut aussieht und auch, was nicht. Diese Kenntnis ist essenziell, um Kunden gut beraten zu können“.

Damit die Bilder beeindruckend zur Geltung kommen können, werden bei der Beratung und Verarbeitung sämtliche gestalterischen, künstlerischen und geschichtlichen Hintergründe mit eingebunden. Hat man sich für eine Art Bilderrahmen entschieden, hört der Kaufprozess in der Regel jedoch noch lange nicht auf. „Für unsere Kunden ist die Anfertigung eines Rahmens oft ein Herzensprojekt für ein ganz besonderes Bild. Meistens spielen also Emotionen eine große Rolle und wir wollen den Käufer auf dieser Reise begleiten“ sagt Sylvia Reh. Kunden werden auch immer in die gläserne Manufaktur eingeladen, können Freunde und Familie mitbringen und erfahren, welche Arbeitsschritte für die Produktion ihres Rahmens notwendig sind und was ihn so wertvoll macht. Der Akt des Aufhängens ist eine weitere wichtige Prozedur für den Kunden. „Auf Wunsch
 liefere ich persönlich den Rahmen an und hänge ihn zusammen mit dem Kunden an seine Stelle. Es ist ein sehr intimer und emotionaler Moment für den Kunden, den fertigen Rahmen mit dem dazugehörigen Bild an den perfekten Ort im Raum aufzuhängen“.

Für
 die handwerkliche Umsetzung des auf den Kunden abgestimmten Designs ist die Vergoldermeisterin Vanessa Hinze verantwortlich. Ein hauchdünnes, kleines, goldenes Quadrat, welches man besser nicht leichtfertig berühren sollte, legt sie auf den fertig handgrundierten und geschliffenen Holzbilderrahmen. Mit dem Vergoldermesser und viel Geduld schneidet sie das edle Blattgold vorsichtig zu und trägt es mit einem besonderen Pinsel auf den Rahmen auf.

Eine ruhige Hand, Fingerspitzengefühl, Präzision und Sorgfalt sowie ein großes Interesse für Kunst und Design sind für die Arbeit als Vergolderin unerlässlich. Viele Arbeitsschritte sind notwendig und aufgrund der langen Trockenzeiten dauert es auch mehrere Tage um ein rohes Holzstück so aussehen zu lassen, als sei es aus purem Gold. Das ist nur eine von vielen Aufgaben, mit denen sich die Vergoldermeisterin beruflich beschäftigt. „Ich liebe meine Arbeit wegen der Vielfältigkeit, die sie mit sich bringt. Ich arbeite handwerklich, kreativ, bin mit Kunden in engem Kontakt und kann mit den verschiedensten Farben und Materialien experimentieren“. Neben edlem Blattgold kommen zum Beispiel auch Sterlingsilber und Platin zum Einsatz. Es entstehen also nicht nur einzigartige Bilderrahmen, welche durch ihr außergewöhnliches Design bestechen, es werden auch besondere Materialien und Rohstoffe höchster Qualität verarbeitet.

Die Ausbildung zum Vergolder ist eine klassische, staatlich anerkannte Handwerksausbildung und trotzdem ist es für Riempp, wie auch oft für andere Handwerksbetriebe schwierig, Nachwuchs und Fachkräfte zu finden. Leider lernen und beherrschen immer weniger Menschen diese überlieferten Handwerkstechniken. „In meiner Berufsschulklasse waren wir gerade mal vier Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland. Deshalb bilden wir nun auch selbst aus. Wir wollen uns so dafür einsetzten, diesen traditionellen Beruf zu erhalten“, sagt Vanessa Hinze. Es muss uns gelingen, dass sich junge Menschen wieder für einen Handwerksberuf interessieren und ihre berufliche Zukunft darin sehen. Auf diese Weise können wir traditionelle Berufe und somit die Vielfalt der Handwerkskunst in Deutschland, Europa und der Welt erhalten. Ein Handwerksprodukt verlangt nach Menschen mit Hingabe und Leidenschaft. Natürlich erfordert dies viel Engagement, Ausdauer und körperlichen Einsatz, aber durch das Ergebnis wird man belohnt. Man schafft ein Produkt, welches für Exklusivität, höchste Handwerkskunst und Individualität bei außergewöhnlicher Qualität steht. Ein Zeichen wurde schon gesetzt: 2016 hat die UNESCO die Mal-, Fass- und Vergoldetechnik
 als Immaterielles Kulturerbe klassifiziert.


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